Des Bloggers Scheinheiligkeit – eine Polemik

Sein Name ist Ahmed Maher, er ist Ägypter. Im März diesen Jahres gründete er eine Facebook-Gruppe, die sich dem Widerstand gegen das autoritäre Regime von Hosni Mubarak verschrieben hatte. Die Mitgliederzahl explodierte, bald waren mehr als 74.000 Menschen der Gruppe beigetreten. Ihre Kraft, die vielgerühmte Macht der Masse, galt es nun zu nutzen. Man rief für den 80. Geburtstag von Mubarak zum Streik und friedlichen Protest auf.

Facebook, stellvertretend für all die anderen Web 2.0 – Basteleien, schien wirklich nützlich zu sein. Es war nicht mehr der graue, zeitstehlende Herr, zu dem es mit all seinen Fragespielchen geworden war. Es war das Mittel mit dem sich der Protest organisieren lies – Facebook als die Flugzettel, als die Anschläge und Graffiti, als die Mund-zu-Mund-Propaganda, die es vermag, Menschenmassen zu bewegen und alte Grundfesten zu erschüttern.

Und da war er wieder, der Traum der Blogger und Grasswurzel-Aktivisten, der Traum, die Welt zu einem besseren Platz zu machen.

Schon einmal wurde dieser Traum geträumt. Es war im letzten Herbst als sich viele Blogger in einen wahren Free-Burma-Rausch bloggten, es gab die Facebook-Gruppe, die Banner, die Petitionen, die roten T-Shirts zum Zeichen der Unterstützung für die protestierenden Mönche. Eine scheinbar gewaltige Bewegung formierte sich da. „Wired“ jubelte schon, sah darin gar den Beginn von etwas ganz Großem, von „open-source politics“. Nach freier Software nun also auch die freie Politik, die jeder gestalten kann und automatisch das Beste erreicht, weil tausende gleichzeitig daran arbeiten und gegenseitig ihre Fehler korrigieren.

Ja, es herrschte Aufruhr in Klein-Bloggersorf, man hatte einen Sinn gefunden, der sich nicht in Fachsimpeleien über neueste Gadget-Bling-Blings verlor.

Aber die Junta verhaftete immer noch Hunderte, folterte, tötete, igelte sich ein und terrorisierte ihr Volk. Sie zeigte all diesem gut gemeinten, aber im Grunde hohlen Geplapper der Blogger die kalte Schulter, zog die Zügel an und machte weiter wie zuvor.

Ironischer weise verschwand mit der Berichterstattung über Burma auch das Interesse der Blogger, unser Interesse an Burma. Wir hatten getan, was getan werden musste, hatten unseren Protest geäußert und konnten uns am Abend selbstzufrieden ob der vielen guten Taten ins Bett legen und einen neuen, schönen Tag in Klein-Bloggersdorf erwarten.

Damit haben wir uns belogen. Wir haben geglaubt, dass ein Banner auf dem Blog etwas bewegen kann, und wenn schon nicht ein einzelnes, so aber die tausenden Banner auf den tausenden Blogs, die Demos und T-Shirts. Ihre Wirkung verpuffte im Niemandsland der irrealen, sich selbst reproduzierenden Internet-Welt.

Aber es ist ein Unterschied, ob man im Netz nur etwas sagt oder ob man etwas macht in der realen Welt. „Open-source politics“ sind ein Mythos. Tausend Blogger können kein Land regieren und Hunderttausend kein Regime stürzen. Was als Graswurzel-Aktivismus bezeichnet wird, ist nicht mehr als das schwache Fauchen eines zahnlosen Tigers.

Denn einfach ist es nach Veränderung zu rufen, wenn man sie selbst nicht voranbringen muss, einfach ist es, zu kritisieren und zu empfehlen, wenn man selbst keine Verantwortung trägt, einfach ist es, im Internet den Heilsbringer unserer unperfekten Welt zu sehen, wenn man selber Blogger ist. Schwierig ist es aber, das eigene Unvermögen zu erkennen in einer Zeit, in der alles geht und alles gehen muss.

Ahmed Maher, der Gründer der ägyptischen Facebook-Gruppe, trägt Verantwortung. Er ist jetzt auf der Flucht. Die Polizei hatte ihn festgenommen und eine Nacht lang gefoltert. Sein Plan war gescheitert. Am 4.Mai, dem Tag des großen Streiks, demonstrierte kaum jemand. Ägypten blieb ruhig und die Macht von 74.000 Facebook-Mitgliedern war verflogen.

17 Kommentare

  1. Falsch. Den meisten Bloggern war bewusst, das ihre Aktion höchstens etwas Bewusstsein wecken kann und letztlich den Menschen in Burma keine direkten Verbesserungen bringt. Aber sie haben es trotzdem gemacht.

  2. @ furukama
    Aber das genau ist mein Argument: Ich glaube nicht, dass sich so viele Blogger beteiligt hätten, wenn sie selbst – wie etwa Ahmed Maher – wirkliche Verantwortung für ihre Forderungen hätten tragen müssen, sprich auch echte Konsequenzen zu ziehen – und nicht nur Banner zu posten.

  3. Naja, was ist denn die Bedeutung von Bloggen?! Doch nicht etwa die Welt verändern? Dafür ist es nicht da. Blogging ist Meinungsfreiheit. Blogging ist offene Diskusion. Aber in geopolitische Geschehen eingreifen übersteigt die Grenzen..

  4. […] schwindet – Probleme bleiben Nicht nur im Bloggerdorf, auch auf politischer Ebene bedient man sich gerne solcher PseudoTaten. Wenn in besonderen Krisen […]

  5. Mir war klar, dass ich nicht die Welt verändere. Ich habe auch damals nicht nur einen Banner hinterlegt, sondern auch meine Hintergründ ein wenigen Stichpunkten dargelegt.
    Die Welt bleibt gut, nur der Mensch macht sie schlecht und wir Blogger werden das kaum verändern, es ist der Glaube an diese Aktionen und deren Aktionismus. Gleiches geschieht doch gerade mit Free Tibet – oder wird sich noch jemand nach Olympia dafür interessieren. Klar, man könnte jeden Tag darüber bloggen, seine Gedanken an die Welt senden und trotzdem nur wenig verändern. Die Aktion ist das, was wichtig ist und schon damals habe ich erklärt, dass ich bspw. Aktionen in der Mongolei und Nepal unterstütze, einfach weil ich dort menschliche Bezüge habe. Ich sende Material und Geld, trotzdem blogge ich nicht darüber. Was aber hilft, ich schreibe im Blog über techn. Themen und die Einnahmen aus Werbung helfen, die Verbindung und Spenden aufrecht zu halten und machen es für mich leichter es zu finanzieren.
    Für mich war und ist Free Burma nur eine Aktion von vielen, die aber die Erinnerung und das Bewusstsein fördert und wenn nur wenige Leute auf Grund dieser Aktion, auf welcher Webseite sie den Banner und die Aktion dahinter gesehen und gelesen haben, ihr Bewusstsein dafür erweitern und eventuell sogar mehr tun als nur Zusehen, dann hat sich die Aktion ja doch gelohnt.

  6. @Frank: „Ich sende Material und Geld, trotzdem blogge ich nicht darüber. Was aber hilft, […]“. Sehe ich das richtig, dass du denkst, bloggen hilft nicht, und deshalb nicht darüber bloggst? Falls ja, warum?

  7. @ Frank:

    Menschliche Bezüge sind definitiv wichtig, ich würde gar sagen, dass sie die Grenze ziehen zwischen dem bloßen Impuls, sein Gewissen zu beruhigen und ernsthafter Hilfe. Sie sind der entscheidende Punkt; will man helfen braucht man sie um eben nicht in einen reinen Betroffenheitsreflex zu verfallen.

    Die Burma-Aktion war meiner Meinung eben so ein Reflex – sicherlich nicht in jedem Fall, aber tendenziell: Es waren vor allem westliche Blogger (so weit ich das überblickt habe), die sich an der Aktion beteiligten. Menschen also, von denen der Großteil sicherlich noch nie in Burma war, geschweige denn echte Bezüge zum Land hat.

    Aufrütteln ist richtig, es ist zentral für guten Protest, aber alleiniges Verbreiten von Informationen ist kein Protest, ist kein Engagement.

    Richtiger und besser ist da dein Weg, Frank, sprich zu helfen, wo man selbst Einfluss hat.

  8. @tomprix: nein, ich denke, dass Bloggen helfen kann – daher der Bezug zum kurzen Beispiel in meinem Kommentar.
    Für mich war und ist Free Burma nur eine Aktion von vielen, die aber die Erinnerung und das Bewusstsein fördert und wenn nur wenige Leute auf Grund dieser Aktion, auf welcher Webseite sie den Banner und die Aktion dahinter gesehen und gelesen haben, ihr Bewusstsein dafür erweitern und eventuell sogar mehr tun als nur Zusehen, dann hat sich die Aktion ja doch gelohnt.

    Ein persönlicher Bezug steigert nur den Enthusiasmus. Auf welchem Wege man hilft, dass ist ganz egal – entscheidend ist doch, dass man es will und damit auch seine sich, sein Denken, Handeln und seine Umgebung beeinflusst.

  9. Overexcitable says : I absolutely agree with this !

  10. […] konnte es im Falle der Burma-Solidaritätskampagne beobachten. Da engagierten sich Viele mit Beiträgen für die Emanzipation des burmesischen Volkes. […]

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